Zwischen 1459/60 und 1462 errichtete der Arzt Dr. Andreas Reichlin-von Meldegg (1402-1477) mit dem heutigen Reichlin-von Meldegg-Haus die bei weitem anspruchsvollste Residenz einer Patrizierfamilie in Überlingen. Trotz mehrfacher Umbauten ist die ursprüngliche Struktur des Komplexes in seinem Kern erhalten geblieben.
Der Bauherr war Konstanzer Patrizier, der 1455 nach Überlingen übersiedelte und 1456 das Überlinger Bürgerrecht erhielt. Nach dem Studium der Freien Künste und der Medizin in Heidelberg war Andreas Reichlin-von Meldegg 1423 in Padua zum Doctor Medicinae promoviert worden. Mit seinem Studienkollegen Nikolaus von Kues, dem bedeutenden deutschen Frühhumanisten, hatte er das Konzil in Basel (1431-1449) besucht, wo er als Gelehrter und Arzt hoch geschätzt war. Nach der Wahl des Humanisten Enea Silvio Piccolomini zum Nachfolger Petri im Jahr 1458 war Andreas Reichlin-von Meldegg Leibarzt von Papst Pius II. 1465 bestätigte Kaiser Friedrich III, auch er war Reichlin-von Meldeggs Patient, die Erhebung der Familie in den Adelsstand. Am 16.08.1485 war der höchste Würdenträger des Heiligen Römischen Reichs Gast in diesem Haus.
Angeregt durch die italienische Architektur der Renaissance, die er während seiner mehrjährigen Aufenthalte in Ober- und Mittelitalien kennen gelernt hat, ließ der Bauherr die gemeinsame Fassade des Haupthauses und der angrenzenden Luzien-Kapelle mit Plattenrustika verblenden. Gleichzeitig stellte er seinen Palast durch den Verzicht auf die in Italien übliche Gliederung solcher Fassaden mit Säulen oder Pilastern und durch die unregelmäßige Anordnung der verschieden großen Fenster in die Bautradition diesseits der Alpen. Dennoch darf das Reichlin-von Meldegg-Haus als der erste Privatpalast nördlich der Alpen gelten, dessen Fassade mit Plattenrustika geschmückt ist.
Den an der Schwelle vom Spätmittelalter zur Renaissance stehenden Palast samt seinen Nebengebäuden, die nur zum Teil erhalten sind, erwarben 1692 Dr. Andreas Buol und seine Frau Maria von Echbegg. Ab 1695 nahmen sie größere Umbauten vor, die dem Haus das heutige barocke Gepräge verliehen.
Im Zuge des Umbaus wurde der Haupteingang, der sich ursprünglich an der Westseite des Gebäudes befand, in seine Mitte verlegt und würdevoll geschmückt. Vor dem Umbau führte dieser Zugang in eine große, wohl als Lager- und Wirtschaftsraum dienende Erdgeschosshalle. In Fortsetzung des neuen Haupteingangs entstand durch das Einziehen von Wänden der lang gestreckte, repräsentative Empfangsraum mit Gewölbe. Im ersten Obergeschoss des Westflügels ließen die neuen Eigentümer anstelle der ursprünglichen Gesindestuben einen großzügigen Festsaal mit umlaufender Galerie errichten und ausstatten.
Nach weiteren Besitzerwechseln im 18. Jahrhundert erwarb 1819 die Familie Birkenmayer das Haus und richtete eine Brauerei mit Schankbetrieb ein. 1908 kaufte die Stadt Überlingen das inzwischen stark heruntergekommene Anwesen und beschloss, das im Steinhaus untergebrachte „Kulturhistorische und Naturalienkabinet“ hierher zu verlegen. Nach umfangreicher Renovierung des Hauses wurde das neue Städtische Museum am 03.05.1913 eröffnet.
Raum 1
In der bewusst gewählten Mischung aus künstlerischen, kunsthandwerklichen, exotischen, historischen und natürlichen Objekten wird das breite Sammlungsspektrum des Museums anschaulich.
Verschiedenartige Gegenstände gemeinsam zu präsentieren, steht in einer Tradition, die letztlich bis in die Antike zurückreicht. Seit jeher weckten seltene und merkwürdige Dinge die Neugier der Menschen, die sie als Raritäten oder Kuriositäten zusammentrugen. Ihre Schätze stellten sie meist in einem Raum aus, der ausgewählten Personen zugänglich war.
Raum 3
Verschiedenartige Gegenstände gemeinsam zu präsentieren steht in einer Tradition, die letztlich bis in die Antike zurückreicht: Seit jeher weckten seltene und merkwürdige Dinge die Neugier der Menschen, die sie als Raritäten oder Kuriositäten zusammentrugen. Ihre Schätze stellten sie meist in einem Raum aus, der ausgewählten Personen zugänglich war.
Im 16. Jahrhundert entwickelten sich aus Raritäten- oder Kuriositätenkabinetten zum Teil sehr umfangreiche und kostbare Sammlungen, die natürliche und vom Menschen gefertigte Objekte vereinten (Naturalia bzw. Artificialia). Ihre Hochzeit lag im 17. Jahrhundert, als Fürsten und wohlhabende Bürger so genannte Kunst- und Wunderkammern einrichteten und mit ihnen den universalen Zusammenhang aller Dinge - Geschichte, Kunst, Natur und Wissenschaft - zeigen wollten. Aus solchen Universalsammlungen gingen seit dem späten 18. Jahrhundert die Museen nach heutigem Verständnis hervor.
Die Objektvielfalt des Städtischen Museums Überlingen geht jedoch nicht auf das systematische, erkenntnisorientierte Sammeln einer einzelnen Person zurück. Vielmehr hat sie ihren Grund in der unterschiedlichen Herkunft der Gegenstände. Sie stammen aus Kirchen und städtischem Besitz – hier beispielsweise das seltene Schild der „Republik Baden“, die von 1918 bis 1933 existierte. Vor allem kommen sie jedoch aus privaten Beständen, welche die jeweiligen Interessen der zumeist Überlinger Sammler spiegeln.
So treffen in diesem Raum Raritäten aus dem Morgen- und Abendland aufeinander.